Ich drehe das Rad der Zeit zurück. 30 Jahre oder so.
Ein etwas schmudderiger Geruch liegt in der Luft. Alte schwere Schränke stehen an der Wand. Das Büchergestell ist vollgestopft mit alten, langweiligen Büchern. Das Bett mit einer schweren Tagesdecke geschützt. Eine typische Grossmutter Wohnung.
Der regelmässige Besuch bei der Grossmutter steht an.
An schönen Tagen können wir draussen spielen und toben, den Pflaumenbaum hochklettern, oder den kleinen Hügel runterrollen. Bei Sonnenschein gibt es zu entdecken und erforschen oder der Nachbarskatze hinterherjagen.
An trüben regnerischen Tagen müssen wir die Zeit drinnen tot schlagen und lediglich das traditionelle Sugus am Ende des Besuches ist ein Lichtblick. Die geliebten Spielsachen bleiben zuhause. Es gibt keine Legos, Playmobils schon gar nicht und die Anzahl an Spielzeugautos ist sehr überschaubar. Stattdessen ein paar Brettspiele, ein Mikado und ein paar traurig aussehende Porzellanpuppen.
Ein Funken Langeweile flammt auf.
Der sehnsüchtige Blick wandert zur tickenden Wanduhr, die stündlich ein paar Gongs von sich gibt.
Das Buch der Bücher
Zum Glück gibt es das eine Buch. Das Buch, welches mich bei jedem Besuch immer wieder aufs Neue zu fesseln vermag: „In 80 Tagen um die Welt“ aus dem Jahre 1984.
Ist es die Geschichte? Sind es die kreativen Illustrationen? Die fast unwirklichen Erlebnisse? Der Nervenkitzel? Oder einfach die aufkeimende Sehnsucht nach der Ferne?
Fahre in die Welt hinaus. Sie ist fantastischer als jeder Traum.
[Ray Bradbury]
Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, dass dieses Buch (dicht gefolgt von „Gullivers Reisen“) das Highlight der Besuche war und die Bilder sind immer noch lebhaft in meinem Kopf:
- Die Eisenbahnfahrt durch den Dschungel von Indien mit der riesigen Schlange, welche sich durch den ganzen Zug schlängelt.
- Die Fahrt mit dem Raddampfer.
- Der Indianerkrieg in der Dampflok
- Weil die Kohle ausgegangen ist wird sämtliches Inventar des Schiffes verbrannt
Zurück in die Zukunft
Ich bin älter, hoffentlich weiser und habe sowohl in der Höhe als auch in der Breite zugenommen. Die kindliche Naivität und der jugendliche Übermut ist Erwachsener Vernunft und Seriosität gewichen. Ist das immer gut?
Als Projektleiter laufe ich brav im Hamsterrad, bin pünktlich im Büro und rechtzeitig zuhause, um auch noch etwas von der Familie zu haben.
An manchen Tagen erwische ich meine Gedanken, wie sie in die Zukunft schweifen, dem Renterleben entgegen:
- Ein bedingungsloses Grundeinkommen (die Rente)
- alle Zeit der Welt
- einen lieben Reisepartner
- Keine Verpflichtungen
- Keine Sorgen
- Und natürlich immer noch voller Tatendrang und Energie
Sollte doch einmal Langeweile aufkommen, wäre das der perfekte Zeitpunkt, um gemütlich ein Buch zuschreiben, einen Blog zu starten oder einfach die nächste Reise anzutreten, das nächste Abenteuer zu suchen.
Eine Illusion? Vielleicht. Und wenn nicht, dann ist diese Realität noch Jahrezehnte entfernt. Oder nicht?
Die Fussfesseln des Alltags
Warum sollten vier kleine Kinder ein Hindernis sein? Warum sollten fünf Wochen Ferien pro zu wenig sein? Warum sollte das Geld nicht reichen?
Wer, wenn nicht wir?
Wo, wenn nicht hier?
Wann, wenn nicht jetzt?
Es gibt für jede meiner Sorgen eine Lösung. Die Lösungen sind einfach und klar: Just do it!
Wann, wenn nicht jetzt?
So mutig wir Thor von sechs paar Schuhen bin ich nicht. Ich weiss auch nicht, ob das ein Leben ist, welches ich wirklich führen möchte. Eines ist mir jedoch klar: Reisen ist nicht ein Privileg der Menschen 60+ und auch nicht der jungen Hipster 25-.
Wann, wenn nicht jetzt?
Die Reise im Hippie-Bus war der Anfang, gefolgt von einer Reise nach Portugal gefolgt von vielen Plänen, Träumen und einigen handfesten Zielen.
Aus kleinem Anfang entspringen alle Dinge.
[Marcus Tullius Cicero]
PS: Besagtes Buch gibt es nur noch gebraucht zu kaufen.