Auf der Insel Phuket wimmelt es gleich einem Ameisenhaufen von Touristen. Der grosse Unterschied: Während die Ameisen fleissig arbeiten liegen die Touristen faul im Schatten einer Palme und lassen sich bedienen.
Wir beschliessen nicht das Schnellboat zu nehmen sondern das etwas langsamere und günstigere Longboat. Vielleicht sehen wir unterwegs ja noch ein paar Delphine. Das Boot ist mit ca. 40 Passagieren und vielen Vorräten voll bepackt. Der Bootsteg auf Phuket ist in einer kleinen Flussmündung, welche links und rechts von Mangroven gesäumt wird. Wie auf stelzen thronen die Mangroven bei Ebbe über dem Wasser. Eigentlich ein Wunder, dass diese zähen Pflanzen im Salzwasser überhaupt wachsen können.
Wir haben keine Ahnung, wie wir vom Steg in Koh Yao Noi zu unserer Wohnung kommen. Ganz sicher wird es auf dieser Insel keine Strassenbahn und keine Metro geben. Zur Not können wir die paar Kilometer auch laufen. Das gibt zumindest mir Sicherheit. Solange wir ein paar Scheine in der Tasche hatten, war Mobilität noch nie ei Problem. Hoffen wir, dass es hier nicht anders sein wird.
Nach einer wenig spektakulären Fahrt von einer knappen Stunde erreichen wird Koh Yao Noi. So richtig Ahnung haben wir nicht, was uns hier erwartet. Der Tenor auf den Blogs ist jedoch eindeutig: Weniger Touristen als Phuket. Das klingt verlockend und ist genau, was wir suchen.
Am Pier warten bereits einige Taxis. Die meisten sind von den wenigen grösseren Hotels, aber für ein paar Scheine nimmt uns auch einer in seinem zum Linienbus umgebauten Pickup mit. Das Abenteuer Koh Yao Noi kann beginnen.
Schnell wird klar, dass hier ein ganz anderer Groove herrscht. Ich komme mir vor, als würden wir in eine andere Zeit zurück katapultiert werden. Noch mehr Mofas, weniger Autos und sehr einfache Behausungen. Alles wirkt verschlafener, ruhiger und heimeliger. Keine Marktschreier, keine Tuk Tuk Fahrer, die jeden Fussgänger fragen, ob er ein Tuk Tuk möchte und nur sehr wenige Läden und Stände, welche nur auf Touristen ausgerichtet sind. Nach einigen Minuten Fahrt kommen wir in die „Hauptstadt“ der Insel, welche zugleich auch der einzige richtige Ort für die ungefähr 5000 Einwohner ist.
Wir werden vor unserem Hotel abgeladen und herzlich willkommen geheissen. Nach der eher einfachen Behausung in Phuket leben wir hier in einer Villa. Die beiden grossen Mädchens besiedeln den oberen Stock mit Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad, während das normale Fussvolk den unteren Stock bewohn. Der Hit ist der eigene Kühlschrank im Obergeschoss, wo es jetzt immer kaltes frisches Wasser zu holen gibt. Die beiden Mädels sind stolz auf ihr eigenes kleines Reich und fangen gleich mit dem Nestbau an. Sie bezeichnen sich sogar als WG 😉
Das Leben hier ist schwierig zu beschreiben und lässt sich kaum in Worte fassen. Alles ist einfach und ein bisschen unordentlich. Die Menschen freuen sich immer, wenn wir vorbeilaufen aber leider können wir kaum mit ihnen sprechen, da sich unsere Thaikünste auf hallo, tschüss und danke beschränken und die meisten auch nicht wirklich Englisch sprechen.
Hier auf Koh Yao Noi scheint alles noch eine Spur entspannter. Hier macht es Freude durch die Hauptstrasse zu flanieren, es gibt spannende Läden mit interessanten Produkten zu entdecken und nicht nur dieser Touristenbilligkram. Das Leben hier ist authentisch und nicht auf die europäischen Fürsten ausgerichtet. Es gibt den kleinen Markt mit Gemüse und Fisch, den lokalen kleinen Supermarkt und viele kleine Kleidermärkte und Essensstände. So stelle ich mir das Leben in Thailand vor.
Am Abend gehen wir zum kleinen Spiel- und Sportplatz, welcher gut besucht ist. Eine bunt gemischte Truppe spielt Fussball auf einem Sand-/Rasenplatz während der Nachwuchs auf dem überdachten Hardplatz trainiert und eine Gruppe Frauen zum immer gleichen Lied Zumba macht. Zum ersten Mal sehen wir, dass die Thailänder sich nicht nur abrackern und den fremden Fürsten die Wünsche von den Augen ablesen sondern selber auch ein wenig leben und Freude haben. Auch hier wird gelebt, wie überall sonst auf der Welt.
Heute haben wir einen kleinen Strand im Norden besucht, den wir zeitweise ganz für uns alleine hatten. Während der Flut bleibt vom Strand nicht viel übrig. Erst wenn sich das Wasser zurückzieht ist der Strand auch links und rechts zugänglich.
In der Ferne ragen die imposanten Kalksteinfelsen der Phang Nga Buchs aus dem Wasser. Wie ein Heer Soldaten stehen sie bedrohlich am Horizont darauf wartend die Invasion zu starten. Ich könnte den ganzen Nachmittag übers Wasser starren und meinen Gedanken nachgehen. Schade, dass kein Fotoapparat der Welt dieses Panorama erfassen kann.
Mir gehen die ersten paar Tage unserer Reise durch den Kopf. Es erscheint mir bereits wie eine Ewigkeit, so viel haben wir erlebt und gesehen und wenn ich daran denke, dass wir noch 7 weitere Stationen auf unserer Reise haben, merke ich, dass wir immer noch am Anfang stehen.
Mit dem Blick aufs Wasser gerichtet und dem kühlen Wind im Gesicht schaue ich den Kindern zu, wie sie sehr erfolgreich Muscheln sammeln, mit einem lokalen Mädchen ein wenig spielen und auf der Schaukel sitzen oder im Wasser plantschen. Alles ist so friedlich und entspannt. Mir wird bewusst: Wir reisen nicht, sondern wir leben.
In unserem Schweizer Kopf (oder zumindest in meinem) ist Fortschritt immer etwas Gutes, etwas Erstrebenswertes. Der Kapitalismus fördert und belohnt Fortschritt und vor allem Wachstum. Die Aktie muss steigen, die Noten müssen besser werden, die Produktivität muss steigen, der Umsatz muss wachsen. Besser, schneller höher. Das ist das Motto. Höher, schneller, besser fordert aber auch Arbeit, Zeit und Anstrengung und dabei vergessen wir vielleicht einfach auch zu leben: den Moment zu geniessen, den Moment zu leben und nicht schon an die nächste Verbesserung zu denken, welche wieder Zeit und Energie benötigt und vom Moment ablenkt.
Diese Gedanken stehen im krassen Gegensatz zu meiner Persönlichkeit: Ich bin der typische, schneller, besser, höher Mensch. Ich lese Blogs und Bücher über „Selbstoptimierung“ und ich bin ständig auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen, um unsere kleine Firma weiter zu bringen.
Ich bin immer noch überzeugt, dass Fleiss und Zielstrebigkeit gute Tugenden sind aber vielleicht werden sie mit einem Hauch „Inselgroove“ erst so richtig perfekt
Irgendwann neigt sich auch dieser Tag zu Ende. Don holt uns ab und bringt uns wieder nach Hause, wo wir nach einer kurzen kalten Dusche noch ein paar Früchte einkaufen gehen um den Tag beim einem Thailändischen Abendessen ausklingen zu lassen. Das Restaurant ist wie alles hier auf der Insel einfach: Ein Dach aus Wellblech, ohne Seitenwände und mit ein paar Tischen. Hinter Bambusrohren verbirgt sich die Küche.
Annika hat es treffend gesagt: Würde so eine Restaurant bei uns stehen würde sie nicht im Traum daran denken, hier essen zu gehen und ob es den europäischen Hygienevorschriften genügt ist zumindest zweifelhaft. Hier in dieser anderen Welt jedoch geniessen wir das feine Essen. Auch die Kinder haben langsam gefallen an einem anderen Menu ausser Pommes Frites gefunden.
Müde aber glücklich schlafen wir heute Abend ein.