Wie kleine fleissige Ameisen pilgern die frischen Erstklässler zum ersten Mal zur Schule. Neugierig, aufgeregt und vielleicht ein bisschen ängstlich. Ist der neue Lehrer streng? Gibt es viele Hausaufgaben? Wer wird der Pultnachbar sein? Stimmen die vielen Geschichten der älteren Geschwister?
Der erste Tag beginnt mit dem Weg zur Schulweg. Dieser Weg, den die Kleinen in den nächsten Jahren noch so oft beschreiten werden. Manchmal langsam schlenderend und glücklich und dann wiederum rennend und vielleicht mit Tränen in den Augen.
Der Schulweg ist ein Abenteuer. Die Autos brausen an den kleinen Zwergen vorbei. Die einen sind vorsichtig die anderen ungeduldig und genervt. Die Kinder sind unbesorgt und naiv, kaum ahnend, welche Gefahren von diesen tonnenschweren Blechriesen ausgehen. Die Eltern fallen auf die Knie und beten sobald die Türe ins Schloss fällt und der Nachwuchs sich auf die beschwerliche Reise gemacht hat: “Hoffentlich kommen sie auch heute wieder gesund nach hause.”
Es gibt so viel neues zu Entdecken, die Schaufenster zu bestaunen, der Katze nachjagen oder Spielkarten unterwegs tauschen. Endlich aus dem geschützten Kinderzimmer ausbrechen und Luft in der grossen weiten Welt schnuppern. Alleine die ersten Erfahrungen machen; manchmal gute aber zwischendurch auch schlechte.
Alleine den Zebrastreifen überqueren. Alleine mit den Freunden den weiten Weg bewältigen. Alleine den schweren Rucksack schleppen. Alleine die Schuhe binden. Alleine den weiten Weg nach Hause gehen. Geheimnisse mit Freunden austauschen, Pläne für gemeinsame Streiche schmieden und in Träumen in weit entfernte Länder und Welten reisen.
So manche Prügelei habe ich auf dem Schulweg ausgetragen, habe Schneekugeln auf die Strasse geworfen, bin über den Dorfbach gesprungen, habe Schnecken beobachtet und Fische gefangen.
Der Löwe lauert auf das Zebra
Bremsen quitschen, Blech kracht, Schreie hallen durch die Strassen, gefolgt von den heulenden Sirene der Ambulanz, Feuerwehr und Polizei. Tragischerweise verunfallen jährlich rund 1500 Kinder unter 14 Jahren auf der Strasse. Sechs davon enden tödlich [NZZ]. Das sind sechs zu viel.
Kürzlich musste ich miterleben, wie der kleine Sohn eines guten Bekannten von einem Auto überrollt wurde und leider nicht überlebte. Ich kann nur versuchen zu ahnen, welche Schmerzen, Alpträume und Grübeleien die Folgen sind. Hätte ich als Vater besser aufpassen müssen? Besser beschützen? Mein Kind von allen möglichen Gefahren beschützen, am besten ans Bett gefesselt, um selbst zu verhindern, dass es die Treppe runterstürzt. Ironischerweise wäre auch das Gesundheitsgefährdend.
Was wäre das Leben hätten wir nicht den Mut etwas zu riskieren?
[Vincent van Gogh]
Wie so vieles im Leben gilt auch hier der gute Mittelweg und wo der ist muss jeder für sich selber finden. Die einen springen aus dem Weltall auf die Erde während die anderen das Fahrrad lieber zuhause lassen, weil es zu gefährlich ist.
Mein Appell an alle Autofahrer: Nehmt Rücksicht, oder wie mein Vater gepflegt hat zu sagen: “Das Auto ist ein Tötungswerkzeug.” Lieber einmal zu viel halten, einmal zu langsam fahren, einmal zu spät kommen und einmal weniger aufs Handy schauen, als ein kleines unschuldiges Lebewesen auf dem Gewissen zu haben. Das Risiko lohnt sich nicht.
Mein Appell an alle Eltern von Erstklässlern: Traut ihnen etwas zu. Gebt ihnen Freiheiten, um sich zu entfalten, sich zu finden und an sich zu glauben. Es ist schlichtweg unmöglich diese Kleinen vor allem zu schützen und beschützen. Wir sind hier um zu lernen, durch Erfahrungen zu lernen und diese sind manchmal ungemütlich und schmerzhaft.